Fortsetzung 5:
Franz Rudolf Kaußmann und Emilie Kaußmann geb. Michel
Eine eigene Erinnerung an den Grossvater sei angefügt. Im Jahre 1922 lief die „Liegezeit“ für das Grab Rudolf Kaußmann auf dem Neuen Friedhof aus. Sie wurde nicht verlängert, da der Platz für den Neubau eines Krematoriums benötigt wurde. Weil aber Grossmutter noch lebte, beantragte mein Vater eine Umbettung. So fuhr denn mein Vater an einem grauen Märztag mit mir zum Friedhof hinaus, wo die Gärtner bereits das Grab bis zum Anschnitt des ganz morschen Sarges geöffnet hatten. Nun wurde weiter gegraben, und es fanden sich auf dem noch verhältnismässig festen Sargboden die starken Arm- und Beinknochen und der gut erhaltene Schädel. Alle Reste wurden in eine Kiste gelegt und dazu ein grosser Strauß Schneeglöckchen aus Grossmutters Hofgärtchen und in einem neuen Grab beigesetzt. –
Rudolf´s Ehefrau Pauline Emilie geb. Michel wurde am 21. Juli 1842 in Guben als Tochter des Glashändlers und Bürgers Anton Michel und seiner Ehefrau Johanne Emilie geb. Flügel geboren.
Guben, dessen Stadtrecht von 1235 stammt, ist an der Lausitzer Neisse unweit ihrer Mündung in die Oder gelegen. Die Stadt gehörte zum Markgrafentum Niederlausitz, das bis dahin sächsisch, 1815 an das Königreich Preussen gelangte und dem brandenburgischen Regierungsbezirk Frankfurt/Oder angegliedert wurde. In Guben blühte von jeher das Tuch- und Hutmachergewerbe. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus eine bedeutende Textil- und Hutindustrie mit einträglichem Export. 1847 wurde die Eisenbahnlinie von Berlin über Frankfurt (Oder) nach Guben und weiter nach Breslau in Betrieb genommen. Die zahlreichen Weingärten auf den Höhen längs des Neissetales verwandelten sich in fruchtbare Obstbaumkulturen, deren Erträge zum grossen Teil in die Hauptstadt Berlin flossen.
Emilie Michel´s Vater, der „Bürger und Glashändler“ Anton Michel, wie er im Gubener Kirchlichen Trauregister bei seiner Heirat am 22. Juni 1822 tituliert wurde, ist nicht in Guben geboren. Er stammt aus der Stadt Kreibitz in Böhmen, geboren am 17. Februar 1793 als Sohn des „Häuslers“ Josef Michel . Seine Mutter war eine geborene Anna Maria Müldner . Wie aus dem böhmischen Häuslerssohn ein wohlbestallter Bürger und Glashändler in Guben wurde, lässt sich auch ohne urkundliche Belege zuverlässig erklären. Denn Kreibitz liegt inmitten dem Bereich der seit dem Mittelalter blühenden böhmischen, genauer gesagt sudetendeutschen Glasbläserei. Mit den Glasmachern verbunden aber war der wandernde Glaswarenhandel, der vor allem von den kleinen Häuslern betrieben wurde, die, wenn sie ihre Äcker nicht zu besorgen hatten, mit der Kiepe, mit Hand- oder Eselskarren ihre zerbrechliche Ware über Land trugen.
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