Biographie
Ferdinand Kaußmann, mein Urgrossvater und seine zweite Ehefrau Henriette Dorothea geb. Gierscher, meine Urgrossmutter, sind die ältesten Vorfahren, von denen mir mehr als blosse Daten überliefert sind. Von der Urgrossmutter gibt es noch ein kleines Ganzfigur-Foto, schätzungsweise aus den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Ein sehr viel schöneres Brustbild habe ich am Kriegsende verloren. Und verloren ist seitdem auch das aufschlussreiche Freundschaftsalbum Ferdinands.
Ferdinand wurde am 21.3.1793, im fünfzehnten Ehejahr seiner Eltern geboren. Von Geschwistern ist uns nichts bekannt. Aus dem Herkommen der Freunde und Freundinnen, die sich in sein Freundschaftsalbum eintrugen, lässt sich schliessen, daß Ferdinand in Frankfurt die „höhere Bürgerschule“ besucht hat. Das würde auch der Tradition der Vorfahren in Prützke entsprochen haben. Ob er danach eine Lehre – etwa im Gewerbe seines Vaters – begonnen hat, ist nicht überliefert, aber nach seinem späteren Beruf zu urteilen nicht sehr wahrscheinlich. Seine Schulzeit und der Schulabschluss fielen in eine Epoche grösster Bedrängnis des preussischen Staates und damit auch der Stadt Frankfurt an der Oder. Als dreizehnjähriger Bursche erlebte Ferdinand, daß nach dem Siege des Kaisers Napoleon über das preussische Heer in der Schlacht von Jena und Auerstädt am 26.10.1806 französische Truppen Frankfurt besetzten, wo sie bis in den November 1808 blieben. Im August 1811 wurde auf Königliche Order die Frankfurter Universität nach Breslau verlegt. Wenn man je an ein Studium Ferdinands an der heimatlichen Hochschule gedacht haben sollte – diese Absicht war nun nicht mehr zu verwirklichen. Über den weiteren Lebenslauf Ferdinands berichte ich nun mit dem Wortlaut der Niederschrift meines Vaters Fritz Kaußmann vom 22.9.1941; darüber hinaus reichende Kenntnisse habe ich nicht mehr erlangen können:
„Ferdinand hat sicher eine gute Schulbildung genossen. Aus dem Einzigen, was von ihm in unseren Händen ist, einem Album, wie es im 19. Jh. üblich war, ist zu entnehmen, daß er ein begabter, auch in gewisser Weise künstlerisch veranlagter, ansehnlicher Mensch war, der Umgang mit Gliedern von angesehenen Frankfurter Familien hatte. Er ist 1812, also mit 19 Jahren, Soldat geworden, hat die Befreiungskriege mitgemacht, ist Offizier geworden und nach dem Kriege Beamter bei der Regierung.“ (Mit Verordnung vom 30.4.1815 war u.a. in der Provinz Brandenburg der Regierungsbezirk „Neumark und Lausitz“ mit der Regierungshauptstadt Frankfurt (Oder) konstituiert worden.) Er hat geheiratet und drei Kinder aus dieser Ehe gehabt, die aber wohl nicht glücklich war. Wir haben immer gehört, daß die Ehe geschieden worden ist und er dann meine Grossmutter, Henriette geb. Gierscher aus Bärwalde geheiratet hat. Aus dieser Ehe sind fünf Jungen entsprossen, deren Zweitältester, Rudolf mein Vater geworden ist“. Nach ihm erst vor kurzem bekannt gewordenen Tatsachen schildert mein Vater die Eheverhältnisse Ferdinands so:
„Ferdinand hatte viele Freunde und Freundinnen . . . Daraus ist zu entnehmen, daß er ein ansehnlicher und gewandter junger Mann war, der als Leutnant aus dem grossen Kriege zurückgekommen war. Eine der Freundschaften wird dann zu einer Ehe geführt haben, die vielleicht nicht auf inniger Liebe aufgebaut war, sondern einer Leidenschaft entsprungen ist, die sich abgekühlt hat. Anfang der dreissiger Jahre, als er also etwa vierzig Jahr alt war, ist dann ein Mädchen in sein Leben getreten, zu dem er durch die wahre Liebe hingezogen wurde. Seine Frau wird ihn nicht freigegeben haben; sie hat sich aber von ihm getrennt. [Ich habe eine vage Erinnerung, daß sie mit ihren Kindern von Frankfurt weg und nach Berlin gezogen sein soll.] Er hat also mit seiner Liebe in einer wilden Ehe gelebt und mit ihr fünf Kinder gezeugt, welche alle zunächst den Namen der Mutter, Gierscher, trugen. So ist denn auch mein Vater als Franz Rudolf Gierscher im Taufregister eingetragen worden. Vermutlich hat er seine erste Frau und Kinder auch geldlich unterstützen müssen . . . Erst kurze Zeit vor seinem Tode ist es ihm gelungen, die Mutter seiner fünf Jungen zu heiraten und die Kinder als die seinigen anerkennen zu können . . . Damit haben Frau und Kinder seinen Namen erhalten und seine Frau hat nach seinem Tode eine kleine Pension bezogen.“ Ferdinand Kaußmann ist am 11.4.1847 mit Henriette Dorothea Gierscher „copuliert“ worden und am 21.10.1847 gestorben. Seine Frau Henriette hat ihn um 47 Jahre überlebt. Sie starb 83jährig am 23.4.1894 in Frankfurt an der Oder.
Henriette Dorotha Gierscher, geboren am 15.1.1811 war die Tochter des „Bürgers und Schneidermeisters“ Johann Meinhard Gierscher in Bärwalde/Neumark. Im Taufregister wird er auch als „Braueigner und Stellvertreter bei den Stadtverordneten“ benannt. Sind die Schneidermeister Gierscher aus Bärwalde und George Kaußmann in Frankfurt an der Oder miteinander bekannt gewesen, und ist auf diese Weise die Tochter Henriette des Meinhard Gierscher nach Frankfurt an der Oder und womöglich in die Familie des Vaters von Ferdinand Kaußmann gekommen?
Johann Christoph Meinhardt Gierscher, geboren am 13.11.1762 in Bärwalde als Sohn des „Unteroffiziers Gierscher“, über den weiteres nicht zu ermitteln war, heiratete am 11.4.1793 in Bärwalde die zwanzigjährige Charlotte Luise Georgi, die vielleicht aus Neudamm gebürtig war. Sie starb schon am 20.4.1823 in Bärwalde, während ihr Ehemann erst im Alter von 81 Jahren am 2.9.1843 das Zeitliche segnete. Daraus ist zu schliessen, daß der Vater Gierscher von dem unehelichen Verhältnis seiner Tochter Henriette zu Ferdinand Kaußmann noch Kenntnis gehabt haben könnte.
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Fortsetzung Teil 5: Franz Rudolf Kaußmann (1837 – 1892) und
Emilie Pauline geb. Michel (1842 – 1927)