Frankfurt an der Oder
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Frankfurt an der Oder
(aus: "Bericht über meine Ahnenforschung", Ernst Kaußmann um 1978)
Mit George Kaußmann wurde die „Haupt- und Handelsstadt“ Frankfurt (Oder) für vier Generationen seiner Nachkommen zur Heimat. Sie stand zu der Zeit, als George dort seßhaft wurde, also zwischen 1770 und 1780 in hoher Blüte, nachdem 150 Jahre zuvor der 30jährige Krieg der stolzen Hansestadt des Mittelalters furchtbar zugesetzt hatte. [… „Die Kunstdenkmäler der Stadt Frankfurt a. O. Berlin, 1912 S. XXXIII ff.] Ihre Wohlhabenheit beruhte hauptsächlich auf den drei Warenmessen im Jahre, mit denen die Stadt im Kreuz der Handelswege von Leipzig, Stettin, Breslau, Böhmen und Posen und der Oder als Wasserstrasse der bedeutendste Umschlagplatz im mittleren Ostdeutschland war. Die Stadt, die um 1770 an 10000 Einwohner hatte, beherbergte während der Messen fast eben so viele Messegäste. Bis zur Zerstörung der Innenstadt im Mai 1945 waren noch einige der Messehöfe erhalten, in denen sich der Handel abspielte. Die im Jahre 1506 begründete Universität bewahrte noch ihr Ansehen mit der Juristenfakultät, die sich zu einer Pflanzstätte des brandenburgisch-preussischen Beamtentums entwickelt hatte. Auch beherbergte Frankfurt damals, obwohl keine Festung, eine Garnison von fast 2800 Mann. Hinter Handel, Hochschule und Garnison standen die Gewerbe offenbar zurück, wenn man von der durch König Friedrich II. forcierten und finanzierten Seidenfabrik aus dem Jahre 1769 absieht.
Die Einwohnerzahl, die um 1800 etwa 13000 betrug, war um 1860 auf ca. 36000 Seelen angewachsen. Dieses Wachstum war im wesentlichen dem Zustrom von Beamten zu verdanken. Denn als Aequivalent für die 1809 erfolgte Verlegung der Universität nach Breslau wurde Frankfurt 1815 Hauptstadt des neugebildeten Regierungsbezirkes Frankfurt und damit Sitz zahlreicher Verwaltungs- und Gerichtsbehörden. Auch die Garnison wurde erheblich verstärkt. Schließlich wird der Ausbau der Eisenbahnen nach allen Richtungen – Berlin, Breslau, Posen, Stettin und Cottbus den Zuzug von Eisenbahnern bewirkt haben. Demgegenüber hielt sich – im Gegensatz zu den benachbarten Städten Guben und Cottbus – die Entwicklung von Industrie in bescheidenen Grenzen. Hier machte sich der Sog der stürmisch aufsteigenden Weltstadt Berlin stärkstens bemerkbar. Vor allem aber hat der Ausbau des Eisenbahnnetzes in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts der Oderstadt ihre seit dem Mittelalter bestehende Bedeutung als Messe- und Handelsstadt gekostet. Noch um 1850 konnten sich die jährlichen drei Messen der Stadt durchaus mit denen von Leipzig und Frankfurt am Main vergleichen. Aber die im Eisenbahnzeitalter erforderliche Umstellung von der Waren- zur Mustermesse konnte die Stadt schon wegen der Nähe von Berlin nicht mehr vollziehen. So behielt die Stadt in ihrem inneren Bereich das Aussehen, das sie seit dem Aufbau nach dem dreissigjährigen Krieg im Laufe von zweihundert Jahren gewonnen hatte. Die Mietwohnungshäuser der Gründerzeit entstanden dann längs der Ausfallstrassen nach Cottbus, Guben und Fürstenwalde. Nördlich der Unterstadt siedelten sich einige Fabriken an. Die Schiffahrt auf dem Oderstrom war rege, aber der Hafenumschlag war ganz unbedeutend geworden. Die durch Jahrhunderte so rege Handelsmetropole des mittleren Osten Deutschlands hatte sich in eine recht beschauliche preussische Beamten- und Garnisonstadt verwandelt.